Grundfähigkeitsversicherung Nachteile: Was Sie vor dem Abschluss unbedingt wissen sollten
07.04.2025
Katrin Straub
Geschäftsführerin bei nextsure
Die Grundfähigkeitsversicherung verspricht Schutz bei Verlust elementarer Fähigkeiten, doch die Realität ist oft komplexer. Viele Versicherte übersehen entscheidende Nachteile, die im Ernstfall zu bösen Überraschungen führen können. Verstehen Sie die Risiken, bevor Sie unterschreiben.
Das Thema kurz und kompakt
Die Grundfähigkeitsversicherung leistet oft nur bei vollständigem Verlust definierter Fähigkeiten und schließt psychische Erkrankungen häufig aus, was einen wesentlichen Nachteil darstellt.
Die Kosten einer Grundfähigkeitsversicherung können durch modulare Bausteine stark ansteigen und den Preis einer umfassenderen Berufsunfähigkeitsversicherung erreichen oder übersteigen.
Eine genaue Prüfung der Vertragsbedingungen, insbesondere der Definitionen von Fähigkeiten und Leistungsausschlüssen, ist unerlässlich, da die Tarife sehr unterschiedlich sind und hohe Hürden für Leistungen bestehen können.
Eingeschränkter Schutz: Die hohen Hürden der Leistungserbringung
Ein wesentlicher Nachteil der Grundfähigkeitsversicherung ist der oft stark eingeschränkte Leistungsumfang. Viele Policen zahlen erst, wenn eine versicherte Grundfähigkeit für mindestens zwölf Monate vollständig verloren geht. Eine teilweise Einschränkung, selbst wenn sie die Berufsausübung erschwert, reicht oft nicht aus. Die Messlatte für eine Zahlung durch die Versicherung ist oft sehr hoch gehängt. Beispielsweise könnte ein Fliesenleger, der nicht mehr täglich sechs Stunden knien kann, leer ausgehen, wenn die Police erst leistet, wenn er sich nicht einmal mehr einmal am Tag hinknien kann. Dieser Aspekt unterscheidet die GFV deutlich von einer umfassenderen Berufsunfähigkeitsversicherung. Die genaue Definition der Fähigkeiten und des Verlustgrads in den Vertragsbedingungen ist daher entscheidend. Eine unklare Formulierung, etwa ob das Greifen einer Tasse mit einer oder beiden Händen gemeint ist, kann im Leistungsfall den Unterschied ausmachen. So kann es passieren, dass Sie trotz spürbarer Einschränkungen durch das Raster fallen.
Definitionssache: Warum der Teufel im Detail der Klauseln steckt
Die genaue Ausgestaltung der Versicherungsbedingungen ist bei der Grundfähigkeitsversicherung ein kritischer Punkt. Es gibt keine einheitlichen Standards, und die Tarife unterscheiden sich erheblich in Leistung und Bedingungen. Ähnlich klingende Begriffe für Leistungsbausteine können für unterschiedliche Leistungsauslöser stehen, was Intransparenz schafft. So kann die Fähigkeit „Gehen“ unterschiedlich definiert sein: Muss eine Strecke von 200 Metern oder 400 Metern ohne Hilfsmittel zurückgelegt werden können? Ein Verzicht auf Hilfsmittel als Bedingung ist für den Versicherten meist besser. Die Komplexität der Klauseln nimmt zu, was nicht immer zu mehr Eindeutigkeit führt. Ein Beispiel ist die Klausel zum Greifen: Wenn eine versicherte Person mit einer Hand keinen leichten Alltagsgegenstand für fünf Minuten halten kann, ist unklar, ob dies auch gilt, wenn die andere Hand noch voll funktionsfähig ist. Eine sorgfältige Prüfung, welche Fähigkeiten für den eigenen Beruf besonders wichtig sind, ist unerlässlich. Für einen selbstständigen Handwerker sind andere Grundfähigkeiten zentral als für eine Bürokraft.
Achten Sie besonders auf folgende Punkte in den Bedingungen:
Exakte Definition jeder einzelnen versicherten Grundfähigkeit.
Notwendiger Grad und Dauer des Fähigkeitsverlusts (z.B. sechs oder zwölf Monate).
Ausschlussklauseln, insbesondere für Vorerkrankungen oder bestimmte Ursachen.
Regelungen zur Mitwirkung von Hilfsmitteln (z. B. Gehhilfen, Sehhilfen).
Der Prognosezeitraum: Kürzere Zeiträume von beispielsweise sechs Monaten sind vorteilhafter.
Diese Details entscheiden darüber, ob und wann Sie im Ernstfall eine Leistung erhalten.
Psychische Erkrankungen: Eine oft übersehene Deckungslücke
Ein gravierender Nachteil vieler Grundfähigkeitsversicherungen ist der unzureichende oder fehlende Schutz bei psychischen Erkrankungen. Diese sind jedoch eine der Hauptursachen für Berufsunfähigkeit – über 33 Prozent aller Leistungsfälle in der BU gehen darauf zurück. Die meisten GFV-Policen leisten bei psychischen Leiden nur, wenn diese Folge einer organischen Erkrankung sind, wie Multiple Sklerose oder ein Schädelhirntrauma. Oftmals wird der Verlust von Grundfähigkeiten sogar explizit ausgeschlossen, wenn er psychisch bedingt ist. Wer also beispielsweise seinen Führerschein aufgrund einer Depression verliert, erhält oft keine Leistung, selbst wenn „Autofahren“ versichert war. Einige Versicherer bieten zwar mittlerweile Zusatzbausteine für schwere Depressionen oder Schizophrenie an. Diese erweitern den Schutz, schließen aber die Lücke im Vergleich zu einer umfassenden Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) oft nicht vollständig. Die BU bleibt hier meist die bessere Wahl für einen umfassenden Einkommensschutz.
Kostenfaktor: Günstiger Einstieg, teure Erweiterungen?
Die Grundfähigkeitsversicherung wird häufig als kostengünstige Alternative zur Berufsunfähigkeitsversicherung beworben. Ein Basis-Tarif für einen 30-jährigen Maurer mit 1.000 Euro Monatsrente kann bei etwa 50 Euro netto monatlich beginnen. Doch dieser Preisvorteil kann sich schnell relativieren. Je nach Leistungsumfang und Zahl der Bausteine kann eine GFV mehr kosten als ein BU-Vertrag. Ein Grundprodukt mit zusätzlichen Bausteinen für schwere Krankheiten und Psyche kann für denselben Maurer bereits 70 Euro oder gar über 160 Euro bei Einschluss aller Bausteine kosten. Zum Vergleich: Eine selbstständige Berufsunfähigkeitsversicherung (SBU) startet für diese Person bei rund 134 Euro. Die modularen Angebote mit vielen Tarifkombinationen – ein Versicherer bietet bis zu zehn verschiedene Bausteine – treiben die Komplexität und potenziell die Kosten in die Höhe. Es ist daher wichtig, nicht nur den Einstiegspreis, sondern die Gesamtkosten für den gewünschten Schutzumfang zu betrachten und mit den Kosten einer BU abzuwägen. Eine steuerliche Absetzbarkeit kann die Nettobelastung beeinflussen, sollte aber nicht das Hauptkriterium sein.
Experten-Tiefe: Worauf Sie bei der Auswahl achten sollten
Die Auswahl einer passenden Grundfähigkeitsversicherung erfordert Sorgfalt. Experten raten, Tarife zu bevorzugen, die alle relevanten Grundfähigkeiten absichern, anstatt sich nur auf berufsbezogene Fähigkeiten zu verlassen, da sich der Beruf ändern kann. Ein Katalog von mindestens vierzehn Kern-Fähigkeiten, wie ihn beispielsweise Franke & Bornberg definiert, kann als Orientierung dienen. Dazu zählen unter anderem Gehen, Sehen, Hören, Sprechen, aber auch der Gebrauch der Hände. Unser Experten-Tipp: Achten Sie auf einen möglichst kurzen Prognosezeitraum von sechs Monaten für den Leistungserhalt. Zudem ist es vorteilhaft, wenn Leistungsauslöser auf die Bedingung von Hilfsmitteln verzichten – 400 Meter ohne Gehhilfen gehen zu können, ist eine andere Hürde als mit. Die Verbraucherzentralen betonen, dass eine Grundfähigkeitsabsicherung niemals die erste Wahl sein sollte und eine Berufsunfähigkeitsversicherung in der Regel den umfassenderen Schutz bietet. Dennoch kann die GFV für bestimmte Personengruppen, die schwer oder nur sehr teuer eine BU bekommen (z.B. Handwerker mit hohem Risiko), eine Überlegung wert sein, wenn die Bedingungen stimmen. Eine unabhängige Beratung ist hier Gold wert. Lassen Sie Ihre Versicherungssituation kostenfrei prüfen und erhalten Sie konkrete Optimierungsvorschläge.
Weitere nützliche Links
Wikipedia bietet eine umfassende Übersicht über die Grundfähigkeitsversicherung.
Das Statistische Bundesamt (Destatis) stellt Informationen zu Menschen mit Behinderungen in Deutschland bereit.
Die Deutsche Rentenversicherung informiert über die Erwerbsminderungsrente und deren Voraussetzungen.
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) bietet einen Forschungsbericht zur Teilhabe von Menschen mit Behinderungen.
Finanztip bietet einen Artikel zur Grundfähigkeitsversicherung.
Das Handelsblatt präsentiert einen Artikel zur Grundfähigkeitsversicherung als BU-Alternative, basierend auf Erkenntnissen der Stiftung Warentest.
Die Bundesagentur für Arbeit stellt Statistiken zur Arbeitsmarktsituation schwerbehinderter Menschen bereit.
Die Verbraucherzentrale Niedersachsen diskutiert die Grundfähigkeitsversicherung als mögliche Alternative zur Berufsunfähigkeitsversicherung.
FAQ
Ist eine Grundfähigkeitsversicherung eine gute Alternative zur Berufsunfähigkeitsversicherung?
Nein, Verbraucherschützer und Experten sehen die Grundfähigkeitsversicherung (GFV) im Allgemeinen nicht als gleichwertige Alternative zur Berufsunfähigkeitsversicherung (BU). Die BU bietet einen umfassenderen Schutz, da sie leistet, wenn Sie Ihren konkreten Beruf nicht mehr ausüben können. Die GFV leistet nur bei Verlust bestimmter, im Vertrag definierter Grundfähigkeiten, oft erst bei vollständigem Verlust.
Was sind die häufigsten Leistungsausschlüsse bei der Grundfähigkeitsversicherung?
Häufige Ausschlüsse betreffen psychische Erkrankungen (es sei denn, sie sind organisch bedingt), Suchterkrankungen und oft auch Folgen von Vorerkrankungen, die bei Antragstellung nicht korrekt angegeben wurden oder spezifisch ausgeschlossen sind. Auch der nicht vollständige Verlust einer Fähigkeit führt oft zur Ablehnung.
Wie wichtig sind die Definitionen der Grundfähigkeiten im Vertrag?
Extrem wichtig. Die genaue Formulierung, was unter dem Verlust einer Fähigkeit (z.B. "Gehen", "Greifen", "Sehen") verstanden wird und welcher Grad der Einschränkung für wie lange vorliegen muss, entscheidet über den Leistungsanspruch. Diese Definitionen können von Anbieter zu Anbieter stark variieren.
Kann ich eine Grundfähigkeitsversicherung trotz Vorerkrankungen abschließen?
Das hängt von der Art der Vorerkrankung und vom Versicherer ab. Es kann zu Risikozuschlägen, Leistungsausschlüssen für bestimmte Fähigkeiten oder Erkrankungen oder sogar zur Ablehnung des Antrags kommen. Eine wahrheitsgemäße Angabe aller Gesundheitsdaten ist unerlässlich.
Lohnt sich eine Grundfähigkeitsversicherung für Handwerker?
Für Handwerker und andere körperlich tätige Berufe, die möglicherweise schwer oder nur sehr teuer eine Berufsunfähigkeitsversicherung bekommen, kann eine Grundfähigkeitsversicherung eine Überlegung wert sein. Entscheidend ist, dass die versicherten Fähigkeiten und die Bedingungen exakt zum individuellen Risiko passen.
Was sollte ich tun, bevor ich eine Grundfähigkeitsversicherung abschließe?
Prüfen Sie immer zuerst, ob eine Berufsunfähigkeitsversicherung für Sie in Frage kommt. Vergleichen Sie Angebote genau, achten Sie auf die Definitionen der Fähigkeiten, Ausschlüsse und den Prognosezeitraum. Holen Sie unabhängige Beratung ein, um Fallstricke zu vermeiden. Jetzt individuelle Risikoanalyse anfordern: Lassen Sie Ihre Versicherungssituation kostenfrei prüfen und erhalten Sie konkrete Optimierungsvorschläge.








