Pferd aus Koppel ausgebrochen: Wer haftet für die Schäden?
22.09.2025
Katrin Straub
Geschäftsführerin bei nextsure
Ein Anruf mitten in der Nacht: Ihr Pferd ist von der Koppel ausgebrochen und hat einen schweren Verkehrsunfall verursacht. Dieses Schreckensszenario wirft eine entscheidende Frage auf: Wer haftet für den entstandenen Schaden in Höhe von oft mehreren zehntausend Euro?
Das Thema kurz und kompakt
Als Pferdehalter haften Sie gemäß § 833 BGB grundsätzlich verschuldensunabhängig für alle Schäden, die Ihr Tier verursacht (Gefährdungshaftung).
Eine hütesichere Einzäunung mit korrekter Höhe (mind. 0,75 x Widerristhöhe) und ausreichender Spannung (mind. 2.500 Volt) ist Ihre wichtigste Präventionsmaßnahme.
Eine Pferdehalterhaftpflichtversicherung mit einer Deckungssumme von mindestens 15 Millionen Euro ist existenziell, um sich vor finanziell ruinösen Schadenersatzforderungen zu schützen.
Wenn ein Pferd aus der Koppel ausbricht, stehen Sie als Halter vor einer ernsten Situation. Die unberechenbare Natur eines Fluchttieres kann innerhalb von Minuten Schäden verursachen, die existenzbedrohend sind. Die deutsche Gesetzgebung regelt die Haftung hierbei sehr klar, meist zu Ihren Lasten. Dieser Artikel erklärt Ihnen die rechtlichen Grundlagen nach § 833 BGB, zeigt anhand von Praxisbeispielen die finanziellen Konsequenzen auf und gibt Ihnen eine konkrete Handlungsanleitung, wie Sie Ihr Risiko durch sichere Zäune und die richtige Versicherung minimieren. So schützen Sie nicht nur andere, sondern auch Ihr eigenes Vermögen.
Die gesetzliche Grundlage: Warum Sie als Tierhalter fast immer haften
Die zentrale Antwort auf die Frage, wer haftet, wenn ein Pferd aus der Koppel ausbricht, findet sich im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Der Paragraph 833 Satz eins begründet die sogenannte Gefährdungshaftung für Tierhalter. Das bedeutet, Sie haften für Schäden, die Ihr Pferd verursacht, unabhängig von einem eigenen Verschulden. Verursacht Ihr ausgebrochenes Pferd beispielsweise einen Verkehrsunfall mit einem Sachschaden von 25.000 Euro, haften Sie allein aufgrund Ihrer Haltereigenschaft. Die unberechenbare tierische Gefahr, die von einem 500 Kilogramm schweren Fluchttier ausgeht, ist hierfür die rechtliche Begründung. Eine passende Pferdehaftpflicht ist daher keine Option, sondern eine finanzielle Notwendigkeit. Diese strikte Regelung unterstreicht die enorme Verantwortung, die Sie als Pferdehalter tragen.
Der entscheidende Faktor: Anforderungen an eine ausbruchsichere Koppel
Gerichte prüfen im Schadensfall sehr genau, ob die Umzäunung der Koppel „hütesicher“ war. Die „Leitlinien zur Beurteilung von Pferdehaltungen“ geben hier klare Empfehlungen. Die Zaunhöhe sollte mindestens das 0,75-fache der Widerristhöhe des größten Pferdes betragen, was bei einem 1,70 Meter großen Pferd einer Zaunhöhe von circa 1,30 Metern entspricht. Ein Gerichtsurteil machte deutlich, dass ein Pfahlabstand von über fünf Metern als fahrlässig gelten kann. Verboten sind tierschutzwidrige Materialien wie Stacheldraht oder Knotengitter, da sie eine hohe Verletzungsgefahr bergen. Eine regelmäßige, idealerweise zweimal tägliche Kontrolle des Zauns auf Schäden ist für jeden Pferdehalter eine grundlegende Sorgfaltspflicht. Die richtige Pferdehalterhaftpflichtversicherung prüft diese Aspekte im Detail. Die Stabilität und Sichtbarkeit des Zauns sind somit Ihre erste Verteidigungslinie gegen Haftungsansprüche.
Praxisfälle und Haftungsquoten: Wann Dritte eine Mitschuld tragen
Obwohl die Gefährdungshaftung streng ist, gibt es Situationen, in denen die Haftung gemindert werden kann. Hat beispielsweise ein Spaziergänger nachweislich das Weidetor offen gelassen, kann ihn eine erhebliche Mitschuld treffen. Auch der Geschädigte selbst kann zur Schadenentstehung beigetragen haben. Fährt ein Autofahrer mit 100 Stundenkilometern durch eine 70er-Zone und kollidiert mit Ihrem ausgebrochenen Pferd, kann ihm eine Mitschuld von 30 Prozent oder mehr zugesprochen werden. Dies reduziert Ihre Schadenersatzpflicht entsprechend, hebt sie aber selten komplett auf. In einem solchen Fall würde Ihre Haftpflicht den Schaden regulieren und die Ansprüche Dritter für Sie abwehren. Die genaue Deckungssumme Ihrer Versicherung ist hierbei entscheidend für Ihren Schutz. Diese Beispiele zeigen, wie wichtig eine genaue Analyse des Unfallhergangs ist.
Expertenwissen: Der feine Unterschied zwischen Luxus- und Nutztier
Das Gesetz unterscheidet in § 833 Satz zwei BGB zwischen „Luxustieren“ und „Nutztieren“. Ein Nutztier dient dem Erwerb, beispielsweise ein Zuchtpferd eines gewerblichen Züchters. Für diese Tiere kann sich der Halter von der Haftung befreien, wenn er nachweist, alle Sorgfaltspflichten erfüllt zu haben. Ihr privat gehaltenes Reitpferd gilt jedoch fast ausnahmslos als „Luxustier“. Für Sie als Halter eines Luxustieres gibt es keine Möglichkeit des Entlastungsbeweises; die strikte Gefährdungshaftung gilt immer.
Unser Experten-Tipp: Führen Sie dennoch ein Protokoll über Ihre täglichen Zaunkontrollen. Es entlastet Sie zwar nicht von der grundsätzlichen Haftung, kann aber gegenüber Ihrer Versicherung und bei der Klärung von Pflichtverletzungen des Stallbetreibers (Tierhüter) von Bedeutung sein. Gerade bei Schäden an landwirtschaftlichen Flächen, sogenannten Flurschäden, wird dies relevant. Mehr dazu finden Sie in unserem Beitrag über Flurschäden in der Landwirtschaft.
Risikominimierung: Ihre Checkliste für proaktive Sicherheit
Um das Risiko eines Ausbruchs und die damit verbundene Haftung zu minimieren, sollten Sie systematisch vorgehen. Die folgenden vier Maßnahmen sind dabei essenziell:
Zaunhöhe und -material anpassen: Die obere Kante des Zauns sollte mindestens 0,75-mal der Widerristhöhe entsprechen, also circa 1,30 Meter bei einem normal großen Pferd. Verwenden Sie gut sichtbares Material wie Breitbandlitzen mit mindestens zwei bis drei Reihen.
Spannung des Elektrozauns sicherstellen: Die Hütespannung muss an jeder Stelle des Zauns mindestens 2.500 Volt betragen. Bei Pferden mit dichtem Winterfell sind sogar 4.000 Volt empfehlenswert, um die volle Wirkung zu garantieren.
Regelmäßige Kontrollen durchführen: Überprüfen Sie den gesamten Zaun mindestens einmal, besser zweimal täglich auf Schäden, festen Sitz der Pfähle und Bewuchs, der die Spannung reduzieren könnte.
Versicherungsschutz überprüfen: Stellen Sie sicher, dass Ihre Pferdehalterhaftpflicht eine Deckungssumme von mindestens 15 Millionen Euro für Personen- und Sachschäden aufweist. Ein gründlicher Vergleich von Pferdehaftpflicht-Tarifen ist hierbei unerlässlich.
Jetzt individuelle Risikoanalyse anfordern: Lassen Sie Ihre Versicherungssituation kostenfrei prüfen und erhalten Sie konkrete Optimierungsvorschläge.
Weitere nützliche Links
Gesetze im Internet: Auf der offiziellen Plattform des Bundesministeriums der Justiz finden Sie den vollständigen Gesetzestext des § 833 BGB, der die Tierhalterhaftung regelt.
Legal Tribune Online (LTO): Die Legal Tribune Online (LTO) bietet einen detaillierten Bericht über ein Urteil des Landgerichts Lübeck zur Tierhalterhaftung bei Pferden, inklusive relevanter Aspekte zu Schadensersatz und Haftungsquoten.
Haufe: Haufe, ein führender Anbieter von Fachinformationen, beleuchtet die Sachverhaltsermittlung im Kontext der Tierhalterhaftung gemäß § 833 BGB und bietet tiefergehende Einblicke in die rechtliche Praxis.
Gesetze im Internet: Hier finden Sie auf der offiziellen Seite des Bundesministeriums der Justiz den Gesetzestext des § 90a BGB, der die rechtliche Einordnung von Tieren behandelt.
SWR: Der Südwestrundfunk (SWR) informiert umfassend über die Haftung für Tiere, die durch Schäden, Unfälle oder Lärmbelästigung entstehen können, und beleuchtet auch weitere relevante Aspekte.
FAQ
Wer haftet, wenn ein Fremder das Gatter offen lässt?
In diesem Fall haftet primär der Verursacher, also die Person, die das Gatter offengelassen hat. Da diese Person aber oft nicht ermittelt werden kann oder nicht solvent ist, werden Sie als Tierhalter aufgrund der Gefährdungshaftung dennoch in Anspruch genommen. Ihre Versicherung reguliert den Schaden und versucht, den Verursacher in Regress zu nehmen.
Gilt die Haftung auch für eine Reitbeteiligung?
Ja, die Gefährdungshaftung des Halters gilt auch gegenüber der Reitbeteiligung. Verletzt sich die Reitbeteiligung durch das Pferd, ohne selbst einen Fehler gemacht zu haben, haften Sie als Halter. Eine gute Versicherung schließt Ansprüche von Reitbeteiligungen mit ein.
Welche Deckungssumme ist bei einer Pferdehaftpflicht wirklich notwendig?
Angesichts stetig steigender Kosten bei Personenschäden empfehlen Experten heute eine Deckungssumme von mindestens 15 Millionen Euro, besser noch 50 Millionen Euro. Tarife mit geringeren Summen bieten keinen ausreichenden Schutz mehr.
Ist eine Pferdehalterhaftpflicht gesetzlich vorgeschrieben?
Nein, in Deutschland gibt es keine gesetzliche Pflicht zum Abschluss einer Pferdehalterhaftpflichtversicherung. Angesichts des hohen finanziellen Risikos durch die Gefährdungshaftung nach § 833 BGB ist sie jedoch für jeden Pferdehalter unverzichtbar.
Was sind Flurschäden und sind diese mitversichert?
Flurschäden sind Schäden, die ein ausgebrochenes Pferd auf fremden landwirtschaftlichen Flächen (Äcker, Wiesen) oder in Gärten anrichtet. Diese Schäden sind in der Regel ein Standardbaustein jeder guten Pferdehalterhaftpflichtversicherung.
Mein Pferd ist sehr brav. Brauche ich trotzdem eine Versicherung?
Ja, unbedingt. Die Haftung knüpft nicht am Verhalten oder Charakter des Pferdes an, sondern an der unberechenbaren Tiergefahr. Selbst das ruhigste Pferd kann sich erschrecken und in Panik unvorhersehbar reagieren. Die Versicherung ist daher unabhängig vom Temperament des Tieres notwendig.








